Live Chat - Frage der Woche: Kann ein ärztlicher Behandlungsfehler ein Unfall im Sinne der Unfallversicherung sein?

Unfall Versicherung
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Der Live-Chat auf unserer Website erfreut sich zunehmender Beliebtheit bei den Besuchern der Website. Manche Fragen, die von den Nutzern des Live-Chats gestellt werden, sind so interessant, dass wir uns entschieden haben einige hier zu veröffentlichten und zu besprechen. Heute ging es in einer Frage im Live-Chat um die Unfallversicherung und den Unfallbegriff.

 

Der Nutzer stellte folgende Frage:

 

"Hallo, ich hab mal eine Frage zur Unfallversicherung!

 

Es gibt ein Urteil wo sich ein Heroinsüchtiger selbst Heroin gespritzt hat und darauf verstorben ist! Es wurde als ein Unfall anerkannt! Von aussen auf den Körper plötzlich einwirkend! Ich habe einen Impfschaden wo der Impfstoff direkt nach dem spritzen mein zentrales Nervensystem geschädigt hat.70% Schwerbehindert! Es war keine Infektion mit irgend einer ansteckenden Krankheit sondern eine sofortige schädigung durch die Verstärker des Impfstoffes. Den Arzt hätte ich wegen Körperverletzung verklagen können! Wie ist das bei der Sache?"

 

Auch wenn der Fragesteller dies nicht ausdrücklich erwähnt hat, gehe ich davon aus, dass es ihm auch darum geht, ob sich aus dem Sachverhalt Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag ergeben könnten. Der Fragesteller erwähnt auf meine Nachfrage ein Gerichtsurteil des Bundesgerichtshofes. Er meint, dass sich dieses auf seinen Fall übertragen ließe.

 

Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 16. 10. 2013 – IV ZR 390/12) hatte zu entscheiden, ob ein "plötzlich von außen auf den Körper wirkendes Ereignis" gemäß § 178 Abs. 2 VVG vorliegt, wenn die versicherte Person willentlich die Injektion von Kokain vornimmt und anschließend an einer rauschmittelbedingten Intoxikation verstirbt. Die Klägerin machte Ansprüche aus einer mit der beklagten Versicherung abgeschlossenen Filmausfallversicherung geltend. Die Dreharbeiten zum Film mussten aufgrund des Todes der Hauptdarstellerin unterbrochen werden. Diese war infolge ihres Kokainkonsums verstorben. In den dem Vertrag zugrundeliegenden Bedingungen war geregelt, dass eine Entschädigung u.a. dann gezahlt wird, wenn u.a. aufgrund eines Unfalls eine der versicherten Personen vorübergehend oder dauernd für die Durchführung des versicherten Filmprojektes nicht zur Verfügung stehen und der Filmgesellschaft dadurch ein Schaden entsteht. Da die Versicherung den Unfallbegriff in den Versicherungsbedingungen nicht definiert hatte, war auf den im Gesetz geregelten Unfallbegriff zurückzugreifen.

 

Dort heißt es (§ 178 Absatz 2 Versicherungsvertragsgesetz) zum Unfallbegriff:

 

"Ein Unfall liegt vor, wenn die versicherte Person durch ein plötzlich von außen auf ihren Körper wirkendes Ereignis unfreiwillig eine Gesundheitsschädigung erleidet. Die Unfreiwilligkeit wird bis zum Beweis des Gegenteils vermutet."

 

Diese Voraussetzungen sah das Gericht in dem Fall der Schauspielerin, als erfüllt an.

 

Auf den Fall des Fragestellers lässt sich das Urteil  jedoch nicht ohne Weiteres übertragen. Jedenfalls dann nicht, wenn Ansprüche aus einem Unfallversicherungsvertrag geltend gemacht werden sollen. In der privaten Unfallversicherung gilt nämlich nicht nur gesetzlich geregelte Unfallbegriff, sondern auch die Versicherungsbedingungen des Versicherers. In den AUB, den Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen des GDV, die eigentlich jeder Unfallversichererer verwendet, heißt es unter 5.2. wie folgt.

 

"Kein Versicherungsschutz besteht außerdem für folgende Gesundheitsschäden:

 

[...] 5.2.3 Gesundheitsschäden durch Heilmaßnahmen oder Eingriffe am Körper der versicherten

Person. Als Heilmaßnahmen oder Eingriffe gelten auch strahlendiagnostische und strahlentherapeutische Handlungen. Ausnahme: Die Heilmaßnahmen oder Eingriffe waren durch einen Unfall veranlasst, und für diesen Unfall besteht Versicherungsschutz nach diesem Vertrag. In diesem Fall gilt der Ausschluss nicht."

 

Auch der BGH weist in seinem Urteil auf die Ausschlüsse in den AUB hin. Der BGH meint, es bestehe nicht die
Gefahr, dass im Falle einer Gesundheitsschädigung durch Drogenkonsum grundsätzlich Versicherungsschutz aus einer Unfallversicherung zu gewähren wäre. Nach den üblicherweise vereinbarten Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB) bestehe kein Versicherungsschutz für Gesundheitsschäden durch
Heilmaßnahmen oder Eingriffe am Körper der versicherten Person (so etwa 5. 2. 3. AUB 2008 gemäß der
unverbindlichen Bekanntgabe des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft), worunter auch
die Injektion von Drogen zähle (Jannsen in Schubach/Jannsen, Private Unfallversicherung, 5. 2. 3
Rn. 80).

Andererseits gibt es durchaus gute Unfallversicherungsstarife, die (mit Einschraenkungen) Impfschäden in den Versicherungsschutz einschliessen. In den Bedingungen des Tarifs Unfall Comfort der R+V etwa heisst es in Ziffer 26:

 

"Abweichend von Ziffer 5.2.4 R+V AUB 2015 besteht Versicherungsschutz für


- Wundinfektionen als Folge von Insektenstichen und

 

- Brucellose, Fleckfieber, Gelbfieber, Dreitagefieber, Malaria und Pest, die durch sonstige
Insektenstiche oder von Tieren verursachte Hautverletzungen übertragen werden und

 

- durch Zeckenstich übertragene Infektionen


Beispiele:
Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME), Borreliose

 

Zusätzlich besteht abweichend von Ziffer 5.2.3 R+V AUB 2015 Versicherungsschutz für
Impfschäden durch Impfungen gegen eine der genannten versicherten Infektionen.

 

Bei Kindern bis zum vollendeten 10. Lebensjahr sind alle Impfschäden versichert. Ein Impfschaden ist eine
über das übliche Maß einer Impfreaktion hinausgehende Gesundheitsbeeinträchtigung. Die Infektion bzw. der Impfschaden muss frühestens einen Monat nach Beginn oder spätestens einen Monat nach Erlöschen dieses Versicherungsvertrags erstmalig ärztlich festgestellt werden. Diese ärztliche Feststellung gilt als Unfalltag.
"

 

Auch im Topschutz der Barmenia sind Impfschäden nach Schutzimpfungen, allerdings erst nach einer Wartezeit von 3 Monaten mitversichert.

Dokumente

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AUB - Allgemeine Unfallversicherungsbedingungen
GDV_Musterbedingung_SU_Allgemeine_Unfall
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2017